Die Frau von heute: Ein Interview mit Céleste Wallaert Die Frau von heute: Ein Interview mit Céleste Wallaert

Die Künstlerin über Empowerment, Weiblichkeit und kreative Gleichberechtigung

Die Künstlerin über Empowerment, Weiblichkeit und kreative Gleichberechtigung

Mutig, schön und voller Leben: Die Bildkompositionen von Céleste Wallaert verkörpern unseren Zeitgeist und spiegeln unsere eigenen Identitäten und Erfahrungen dabei auf besonders sensible Weise.

Für uns öffnete die französische Künstlerin die Türen ihrer kreativen Welt und sprach über die Werte, die ihren Illustrationen zugrunde liegen.

Vom leidenschaftlichen Hobby zum Vollzeitjob

Schon in jungen Jahren begann Céleste zu zeichnen. Sie erinnert sich gern an ihre Kindheit und die vielen Stunden, die sie im Laufe der Jahre mit der Erstellung von Cartoons verbrachte. Nach dem Abitur absolvierte sie einen Abschluss in visueller Kommunikation in Lille, gefolgt von einem weiteren Abschluss in Grafikdesign in Brüssel. Kurz darauf wurde ihr eine Stelle als Textildesignerin in einer kleinen Pariser Firma angeboten, die sie ohne zu zögern annahm.

Heute arbeitet Céleste teils mit Textilien, teils als freiberufliche Illustratorin und Grafikerin – und macht sich gleichzeitig mit der Rolle als frischgebackene Mutter vertraut. Zu Hause ist sie in einem kleinen Apartment in Paris nahe des belebten Place de la Bastille, wo sie mit ihrer 18 Monate alten Tochter und ihrem Freund wohnt. In ihrer Freizeit gibt sie sich größtenteils den einfachen Freuden des Lebens hin. Dann klimpert sie auf ihrem Klavier, liest ihrer Tochter Gutenachtgeschichten vor, spaziert durch den Botanischen Garten oder genießt ein Glas Wein auf ihrer Terrasse. Ein tief verinnerlichtes Verständnis von ‘joie de vivre’, das auch ihren Arbeiten deutlich anzumerken ist.

Die Frauen in meinen Illustrationen sind die Frauen von heute. Stolz darauf, wer sie sind und was sie repräsentieren.

Eine Hommage an alle Frauen

Die Frauen in Célestes Illustrationen haben etwas allumfassendes an sich. Die einfachen Konturen sind deutlich genug, um Gesichtsausdrücke darzustellen, und dennoch so subtil, dass sie die Anonymität der Porträtierten bewahren. So können wir uns alle in ihnen wiederfinden – unabhängig vom jeweiligen Hautton, der Haarfarbe oder dem Körperbau. Céleste über ihre Intentionen: “Ich möchte, dass sich die Betrachter meiner Bilder wohl fühlen und sich mit ihnen identifizieren. Dass meine Bilder sie zum Nachdenken anregen. Und dass sie lächeln, weil es so schön ist, wenn Menschen lächeln.”

Das hohe Identifikationspotenzial ergibt sich unserer Meinung auch aus der Haltung ihrer Figuren. Einige wirken stolz und protestbereit, andere stützen sich gegenseitig, wieder andere strahlen unerschütterliche Gelassenheit aus. Doch eins verbindet all die dargestellten Frauen: Ein starker Zusammenhalt, der Individuen zu Gleichgesinnten macht.

Grund genug, etwas tiefer zu graben und mehr über diese starken Frauen zu erfahren: “Die Frauen in meinen Illustrationen sind die Frauen von heute. Stolz darauf, wer sie sind und was sie repräsentieren. Stolz auf ihre Herkunft und die Menschen, die sie lieben. Mir gefällt die Idee, Frauen zu vertreten, die Verantwortung für sich und ihre Bedürfnisse übernehmen. Frauen, die sowohl feministisch als auch feminin sein können. Frauen, die ehrgeizig sind, aber auch entspannen können. Kurz gesagt: freie Frauen. Ehrlicherweise lasse ich mich von vielen Frauen inspirieren. Seien es Frauen, die Organisationen gegründet haben, um anderen zu helfen, hochbegabte Illustratorinnen oder Frauen mit Einfluss, die ihre Intelligenz nutzen, um Dinge zu verändern. Jeden Tag ist meine Tochter dabei die Frau, die mich am meisten inspiriert. Ich versuche, sie so gut ich kann zu erziehen. Damit sie aufgeschlossen gegenüber anderen ist, Vertrauen in sich selbst hat und stolz darauf ist, eine Frau zu sein.”

Kreativer Schaffensprozess

Ideen für neue Motive findet Céleste oft online. “Ich stoße auf ansprechende Bilder bei Instagram oder Pinterest, die ich gern illustrieren möchte. Manchmal habe ich dann noch eine mentale Blockade. Dann drehe ich laut Musik auf und fange einfach an zu malen. Mein liebster Arbeitsschritt ist die Kolorierung, denn hier beginne ich zu erkennen, wie meine finale Illustration mal aussehen wird. Ich experimentiere häufig mit mehreren Farbvariationen. So entsteht das gleiche Bild plötzlich in verschiedenen Farbversionen, was dazu führt, dass ich mich nicht entscheiden kann, welches mein Favorit ist [lacht].”

Neben kräftigen Grundfarben mag Céleste ungewöhnliche Farbpaarungen wie die Kombination aus zartem Rosa und Dunkelrot. So entstehen pastellige Bildwelten mit ausdrucksstarken Farbinseln.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das Wort ‘Weiblichkeit’ nicht mehr als etwas Negatives wahrgenommen wird, sondern dass es als ein Wort gesehen wird, das voller Stärke, Kraft und Leben ist.

Gedanken über Weiblichkeit, Empowerment und Gleichberechtigung…

Um die Beweggründe für die Entstehung ihrer Arbeiten besser nachvollziehen zu können, hat Céleste ihre Ideale für uns kontextualisiert: “Für mich sind das einige der wichtigsten Worte der modernen Gesellschaft. Empowerment ist entscheidend, damit die Gleichstellung der Geschlechter zur Norm wird. Ich denke, es ist wichtig, zu erkennen, dass Frauen und Männer zwar in vielerlei Hinsicht unterschiedlich sind, aber wir alle die gleichen Rechte, die gleichen Gehälter und das gleiche Selbstverständnis verdienen. Frauen sollten in der Lage sein, Mutterschaftsurlaub zu nehmen, ohne ihren Arbeitsplatz oder ihr Ansehen im Unternehmen zu verlieren, ebenso wie Männer in der Lage sein sollten, Vaterschaftsurlaub zu nehmen, ohne ausgegrenzt zu werden. Ebenso sollte Frauen erlaubt sein, sich so zu kleiden, wie sie wollen, ohne gemustert zu werden. Ja, Frauen sind von Natur aus weiblich, aber Männer ebenso. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das Wort ‘Weiblichkeit’ nicht mehr als etwas Negatives wahrgenommen wird, sondern dass es als ein Wort gesehen wird, das voller Stärke, Kraft und Leben ist."

"Eine der größten Herausforderungen, mit denen Frauen in der modernen Gesellschaft immer noch konfrontiert werden, ist meiner Meinung nach die Beeinträchtigung ihrer Freiheit, – unabhängig davon, ob sie hinter verschlossenen Türen oder offensichtlich bedroht wird. Auch in der heutigen Zeit werden Frauen auf der ganzen Welt immer noch daran gehindert, das sein zu können, was sie sein wollen. Sie werden immer noch daran gehindert, sich so anzuziehen, wie sie wollen, und sind oft noch gezwungen, auf die Wünsche und Bedürfnisse der Männer einzugehen."

‘Critique’ ist für sie dabei eines der Hauptprobleme im Kampf um Gleichberechtigung. “Entweder sind wir zu engstirnig oder zu freigeistig, zu feminin oder nicht feminin genug, zu mütterlich oder nicht mütterlich genug. Und dann werden wir dafür bestraft, entweder zu viel zu arbeiten oder Hausfrau zu sein. Kurz gesagt: Es ist noch immer ein täglicher Kampf. Wenn ich könnte, würde ich allen Mädchen dieser Welt ans Herz legen, sich gegenseitig zu unterstützen: Solidarität zeigen, sich nicht gegenseitig verurteilen, wir alle brauchen einander. Und am Ende vertraue einfach dir selbst.” Wir könnten Céleste nicht mehr zustimmen.

Diese Jahr möchte sie vor allem ihre freiberufliche Karriere weiter vorantreiben. Derzeit arbeitet sie intensiv daran, ihr “Traumleben” Wirklichkeit werden zu lassen. Das heißt, das zu tun, was sie möchte, ihre Freizeit nach ihren Wünschen zu gestalten und ihr eigener Chef zu sein. Wir drücken ihr die Daumen, das ihr das gelingt.

Im Namen aller Frauen: Merci, Céleste!

Interview: Maia Frazier

Übersetzung: Ina Schulze