Von Slow Living über Hygge bis Lagom: Hinter all den Trends von nah und fern steht ein Lebensgefühl, das nach Reinheit und einer Rückkehr zum Einfachen strebt. Sie sind Teil eines Zeitgeists, der sich wieder auf mehr Natürlichkeit und einen verlangsamten Lebensrhythmus besinnt. Eine alternative Interpretation von Luxus schafft Wohnwelten, die zwar schön anzusehen sind, aber weniger den Regeln der Perfektion folgen. Die neueste Trendwelle kommt aus Japan: Wabi-Sabi verkörpert alles, was uns im Jahr 2018 bewegt

Philosophie des Unperfekten

Unsere moderne und schnelllebige Realität fördert in vielen Bereichen eine gewisse Neigung zum Perfektionismus und das Bestreben, sich mit Vollkommenheit zu umgeben. Dabei verlieren wir den Sinn dafür, den ursprünglichen Charme des Unvollendeten zu schätzen. Japan ist zugleich Zentrum der Moderne und Wiege jahrhundertealter Traditionen, die das Gleichgewicht der Dinge hochhalten: Fast vergessene Philosophien, die heute aktueller sind denn je.

Aber was genau bedeutet Wabi-Sabi? Ganz wie sein Grundprinzip ist der Begriff selbst dem Wandel der Zeit unterworfen. Ursprünglich stand Wabi für Traurigkeit, Verzweiflung und Einsamkeit. In der Poesie hingegen repräsentierte es Einfachheit, eine Abkehr vom Materialismus, ein bewusstes Leben in Bescheidenheit und im Einklang mit der Natur. Wabi erinnert an die reine Ursprünglichkeit und die naturgegebene Eleganz der Dinge.

Sabi bedeutet “das Aufblühen der Zeit” und symbolisiert die Schönheit und Gelassenheit, die mit dem Alter kommt. Der Moment, in dem sich die Unbeständigkeit von Objekten in Form einer Patina, Verschleiß und sichtbaren Reparaturen offenbart. Die Spuren der Zeit erinnern uns daran, dass nichts von Dauer und Schönheit vergänglich ist. Ein altes Sprichwort besagt: “Die Zeit ist gut für die Dinge, nicht aber für den Menschen.”

Wie übersetzt sich das in Kunst? Manche Künstler schaffen es, diese natürliche Eleganz einzufangen: Sei es durch Fotografien von Landschaften oder Architektur, auf denen die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat, oder durch abstrakte Motive, die diese Schönheit hervorheben. Wir zeigen dir drei Möglichkeiten, wie du den Geist von Wabi-Sabi in deinen Alltag einfließen lassen kannst.

Rückkehr zur ungezähmten Natur

Ein Blick aus dem Fenster lässt uns die diskrete Eleganz der vergehenden Zeit wiederentdecken. Du kannst sie spüren, wenn du die undeutliche Grenze zwischen Licht- und Schattenseite des Mondes betrachtest – an einem nebligen Abend, durch störrische Zweige, die sich vor dem Mondlicht absetzen. Oder, wenn du deine Hand über das ungleichmäßige, moosbewachsene Mauerwerk eines alten Hauses gleiten lässt. Von einem Spaziergang mitgebrachte Fundstücke aus der Natur oder fesselnde Fotografien wie diese bringen das Wabi-Sabi-Prinzip in dein Wohnzimmer.

 

Lass die Zeit ihren Lauf nehmen

Holz- oder Glasstücke, einst Alltagsgegenstände, werden von Salz und Wellen abgetragen und tauchen an einem verlassenen Strand wieder auf. Verfallene Bauwerke, deren rissige Gemäuer geheimnisvolle Geschichten bergen… Wir Menschen schaffen endlos viele Artefakte und vergessen dabei manchmal, dass sie genauso vergänglich sind wie wir. Mach dein Zuhause zu einem Ort, an dem diesen vergessenen Objekten und verlassenen Gebäuden ein zweites Leben eingehaucht wird.

Abstraktionen, die das Unvollkommene widerspiegeln

Wenn dich Symmetrie und schnurgerade Linien langweilen oder du eine natürliche Neigung zu unperfekten Formen hast, wird Wabi-Sabi eine nie gekannte Harmonie in deine vier Wände bringen. Bring den Minimalismus-Trend auf ein neues Level und verleihe deiner Einrichtung durch wunderbar asymmetrische und ungleichmäßige Kunst ein natürliches Gleichgewicht.

 

Text: Diane Mironesco

Übersetzung: Valeria Sambale